Es ist nicht einfach...

Aktuell fällt mir die Frage „Warum ich bleibe?“ besonders schwer. Nach einer Woche, in der statt konsequenter Aufklärung der Missbrauchsfälle noch mehr Taten aufgedeckt wurden und katholische Amtsträger immer noch Vertuschen anstatt Aufzudecken, nach einer Woche in der sich Mitarbeitende und Priester der katholischen Kirche als queer outen und nun um ihren Arbeitsplatz Angst haben müssen, nach solch einer Woche zu sagen, „ich bleibe“ fällt mir schwer.

Was unter Verantwortung der katholischen Kirche passiert (ist), ist für alle Missbrauchsopfer sowie für alle Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen, welche sich in unserer Gesellschaft mit Engagement und Herzblut in und für die Kirche einsetzen, nur schwer zu ertragen. Amtsträger in der katholischen Kirche handeln gegen den wichtigsten, christlichen Grundsatz der Nächstenliebe - Kinder und Jugendliche wurden missbraucht und Menschen aufgrund ihrer Sexualität und ihres Privatlebens ausgegrenzt bzw. dazu gezwungen sich zu verstecken. Das geht nicht!

Ich verstehe alle, die sich aus diesen Gründen Gedanken darüber machen auszutreten aber ich glaube, dass es nicht mein Weg ist. Meiner Meinung nach sollten alle diejenigen austreten, welche die christlichen Grundsätze mit Füßen treten!

Die Band PUR hat es in ihrem Lied „Nie genug“ aus meiner Sicht geschafft, die Zerrissenheit zwischen der berechtigte Kritik und Ablehnung des starren Machtsystems Kirche und gleichzeitig der Liebe zu Gott und seiner christlichen Kirche, zu dem wunderbar geschaffenen Leben und grundsätzlich zum Glauben musikalisch umzusetzen.

„…Das Buch der Bücher auf Regeln beschränkt, was zwischen den Zeilen steht, verdrängt. Habt euch vom Lachen und Lieben und Leben entfernt. Ich hab' euch abgestreift und selbst gelernt. In Musik, einer Melodie, die mir Gänsehaut verpasst. In einer Idee, einem Bild, einem wahren Wort, einem Kuss, der selbstlos macht, liegt so viel Gott, das liegt in der Luft und das hat so viel Kraft - davon krieg' ich nie genug…. Die Angst vor der Sünde hat die Freude gelähmt, die unbändige, göttliche Lebenslust gezähmt. Triste Mienen bringen Dunkel ins Licht, küsst ihr nur den Boden, ich küss' lieber Dich. In einer Umarmung, einer durchgefühlten Nacht, liegt so viel Gott. Mein Gott, das lieb' ich, das hat mich gepackt. Davon krieg' ich nie genug…

Ich selbst bin auch immer wieder hin und her gerissen aber Auszutreten ist nicht mein Weg. Mein Glaube ist verbunden mit meiner Kirche. Durch und in der Kirche entsteht Gemeinschaft und besonders wichtig sind aus meiner Sicht die vielen sozialen Einrichtungen der katholischen Kirche, welche nicht wegzudenken sind in unserer Gesellschaft.

Ich will bleiben, denn ich kenne auch eine andere, eine liebevolle, offene und hilfsbereite Kirche, welche vor Ort dafür kämpft, unseren Glauben zu leben und zu teilen. Für solch eine Kirche möchte ich einstehen und daran mitwirken, dass diese Wahrnehmung der Kirche wieder im Mittelpunkt steht.

Marina Schweickhardt – gewählte Vorsitzende des Kirchengemeinderats Seitingen-Oberflacht